Der letzte Glühwein vor Damenindisch

Das 80er Gelb unserer ewigen Liste haut auf Dauer den stärksten Eskimo vom Schlitten. Deshalb habe ich schnell diesen Beitrag geschrieben, um die Farbe zu wechseln, bevor ich euch für den Rest des Novembers mit dem Blog allein lasse:

Think Grey and be happy!

Grey-is-beautyful

Aktuelle Schachnachrichten habe ich nicht für euch. Veraltete auch nicht. Entspannt euch vor dem letzten Mannschaftskampf dieses Jahres am 13. Dezember. Weihnachtsmarkt-Hopping ist eine Möglichkeit. Aber denkt bitte daran: Jedes Glas Glühwein kostet am Schachbrett 100 DWZ-Punkte. Deshalb gilt für Mitglieder der Schachfreunde Hannover vor dem nächsten Spieltag ein absolutes Glühweinverbot (beginnend 24 Stunden vor der ersten Zeitkontrolle). Das Verbot gilt auch für Knickebeineier, die von Ostern übrig geblieben sind. Hildesheimer dürfen ihren Messwein hingegen in vollen Zügen genießen!

Einen Veranstaltungstipp habe ich noch für euch. An diesem Samstag spielen die Damen vom Münchner RFC in der 1. Rugby-Bundesliga bei Germania List; das ist ein Steinwurf von Uwes Wohnhaus entfernt. Ihr wisst, die „Erfolgsbilanz“ der Münchnerinnen hat es mir angetan. Nach der letzten Heimpleite steht die Zwischenbilanz nach 5 Spielen bei zwei Minuspunkten (!) und 0:448 Spielpunkten. Die zwei Minuspunkte gab’s, weil ein Heimspiel kampflos gewertet wurde. Dafür wurden 0:50 Spielpunkte angerechnet. Das war das bislang beste Ergebnis der Münchnerinnen!

Dieser Tipp erfolgt ohne jede Häme. So viel Idealismus hat meine Anerkennung verdient. Da fahren die Münchnerinnen von München nach Hannover und zurück und wissen genau, dass sie sich wieder eine Packung abholen werden. Vermutlich, ohne einen einzigen Spielpunkt zu ergattern. Oder geht da was? Die Damen vom SC Germania List stehen auf dem vorletzten Platz… Das unermüdliche Ankämpfen gegen Klassenunterschiede muss für uns Schachspieler keine Vorbildfunktion haben, es sei denn, die Frauen zeigen uns, dass sich Lebensfreude und Niederlagen a priori nicht ausschließen.

Etwas verwirrt bin ich dennoch. Auf einer Rugby-Webseite wird für Kompressions-kleidung mit den Worten geworben: „Jeder weiß, dass Rugby ein echter Männersport ist.“ Wissen das auch die Münchner Frauen!? Anstoß ist Samstag um 14:30 Uhr. Ilja Schneider, Torben Schulze und Wilfried Bode können leider nicht kommen. Die Drei spielen zeitgleich in Mannheim um die Deutsche Blitzeinzelmeisterschaft. Das ist schlechthin echter Männersport. Obendrein mit Killerinstinkt!

Die ewige Liste

Es ist eine Ewigkeit her, dass unsere ewige Liste veröffentlicht wurde. Es war eine der letzten Amtshandlungen unseres damaligen Präsidenten Heinz-Jürgen Gieseke im Jahr 1980. Seitdem ist viel Wasser die Ihme hinuntergeflossen. – Heute sei der Sonntag für die Ewigkeit, lehrt uns HAZ-Redakteur Simon Benne in der Lüttjen Lage. Das war für mich der Anstoß, in die Katakomben meines Schacharchivs zu steigen, um die ewige Liste so gut es geht zu vervollständigen. Das kam dabei heraus:

Think Yellow! (Originalfarbe von 1980)

img374
1980  Gerhard Streich                                            1980   Horst-Peter Anhalt
1981   Horst-Peter Anhalt
1982   Harald Behrens
1986   Harald Behrens                                            1986   Michael Geveke
1987   Horst-Peter Anhalt
1988   Arthur Kölle                                                 1988   Gerhard Streich
1989   Horst-Peter Anhalt
1995   Daniel Butscher                                           1995   Olaf Bergmeier
1996   Olaf Bergmeier                                            1996   Olaf Bergmeier
1997   Olaf Bergmeier                                            1997   Olaf Bergmeier
1998   Günter Garthof                                           1998   Olaf Bergmeier
1999   Günter Garthof                                           1999   Torsten Knippert
2000   Marcus Delacor                                          2000   Olaf Bergmeier
2001   Andreas Berndt                                           2001   Olaf Bergmeier

Die ewige Liste endet mit unserer Fusion im Jahr 2001. Zwischen den Jahren 1981 und 1995 gibt es Lücken. Die sind einerseits meiner unvollständigen Dokumente und andererseits diverser Turbulenzen geschuldet. Soll heißen: Die eine oder andere Meisterschaft fiel aus. Lücken tun weh. Das ist wie beim Zahnarzt. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir einige davon füllen könnten. Wer kann dazu beitragen?

Blitzschale-006bJede Dekade hatte ihre eigenen Gesetze. Als Heinz Johann, der Friseur, der meinen Vater beim Haareschneiden überredete, mich in den Schachverein zu locken, zum ersten Mal Blitzmeister wurde, war nicht nur das Blitzschach Neuland. Das Leben nahm lawinenartig seinen Lauf. Vieles wurde darunter begraben. Vieles wurde an die Oberfläche gezerrt. Das war gut so. Was wäre ein Leben ohne spannende Erlebnisse?

Jede Vereinsmeisterschaft war so ein Erlebnis. Von 1966 bis 1981 habe ich alle mitgemacht. Meinen ersten Vereinstitel konnte ich 1969 im Blitzschach erringen, als ich unseren „Oberzocker“ Wolfgang Rosin ablöste. Aus dieser Zeit stammt der Ehrenteller, der 1972 in meinen Besitz überging. Wer genau hinschaut, wird die eingravierten Namen von Wolfgang und mir entdecken. Ansonsten war Peter Brunotte damals eine Bank. Anfang der Siebzigerjahre kam Horst-Peter vom SV Linden zu uns herüber. Fürderhin holte er sich mehrere Meisterschaften, musste allerdings bis 1980 auf seinen ersten Blitztitel warten. Für mich war 1988 endgültig Schluss mit Vereinsmeisterschaften. Meine Zäsur begann im Jahr 1979: Ehe, Familie, Beruf und eine neue Sportkarriere als Radrennfahrer hatten Vorrang.

Gegen Ende des Jahrtausends kam die große Zeit von Olaf Bergmeier. Er spielte nicht nur bärenstark, sondern war auch regelmäßig dabei. Das zahlte sich vor allem bei den Blitzmeisterschaften aus, die in den Neunzigerjahren nicht mehr gesondert ausgetragen wurden. Es zählte die Jahreswertung der Monatsblitzturniere. Ich war nur noch sporadisch dabei (siehe: Ausgezockt?). Das langte nicht mehr zu einer Blitzmeisterschaft.

Die stärkste Vereinsmeisterschaft aller Zeiten war wohl die, die wir 1980/81 ausgetragen haben. Es siegte Horst-Peter Anhalt souverän mit 8 Punkten aus 10 Partien, vor Peter Panzer (dem späteren IM und Landesmeister 1986) mit 6,5 Punkten, Manfred Küver (dem späteren CEO) mit 6,5 Punkten, Achim Cablitz (dem Deutschen Hochschulmeister 1982) mit 6,0 Punkten, Harald Behrens (dem Karpow-Bezwinger sowie Landesmeister 1980 und 1988) mit 5,5 Punkten, Klaus Franke (dem Dauerbrenner) mit 5,0 Punkten, Gerhard Streich (dem Dauerpatzer) mit 4,5 Punkten, Andreas Wetjen (der Oldenburger Leihgabe) mit 4,0 Punkten, Jürgen Siegmann (dem späteren Finanzamtsleiter) mit 3,5 Punkten, Michael Geveke (dem Deutschen Jugendmeister 1982) mit 3,5 Punkten und Karl-Heinz Klemens (dem Meister der Herzen) mit 2,0 Punkten.

Der Preisfond betrug 700,00 DM. Das war viel Geld für damalige Verhältnisse. Nach jeder Runde gab es ein Bulletin mit allen Partien und allerlei Wissenswertem. Ob sich so etwas wiederholen lässt? Ja und Nein. Die Zeiten haben sich geändert. Nach unserer Fusion mit der Schachvereinigung war zehn Jahre später Schluss mit Vereinsmeisterschaften.

Die ewige Liste ist eine Meistergalerie der jüngeren Hälfte unseres Vereins, die aus den Schachfreunden Badenstedt hervorging. Zur älteren Hälfte, die der Schachvereinigung entsprang und über eine ruhmreiche Vergangenheit verfügt, kann ich leider keine Angaben machen. Ich würde mich freuen, wenn jemand zur Vervollkommnung beitragen könnte. Es ist ja nur für die Ewigkeit gedacht.

**********************************************************

Erneuerung am 23. August 2020 (siehe Kommentar)

Karl-Heinz Tscheppe 1-0 Gerhard Streich anno 1978

Kokosnuss 5 : 3 Walze

Angesichts der Ereignisse in Paris fällt es mir schwer, einen fröhlichen Bericht über unseren 5:3 Sieg gegen den Hamelner SV in der Landesliga Süd zu verfassen. Das kleine Wortspiel in der Überschrift sei mir erlaubt. Insider wissen, was damit gemeint ist. Im Anschluss zeige ich euch jeweils einen Schnappschuss der Kontrahenten am Brett mit einem Diagramm der Schlussstellung. Ausgenommen ist die Endstellung am 1. Brett. Ob Wilfried Bode und Andreas Liebau noch lange gekämpft haben, weiß ich nicht. Es war die letzte Partie, als es bereits 4,5:2,5 für uns stand. Bis auf die Damen und je eine Leichtfigur war das Brett noch voll belegt, allerdings derart verschachtelt, dass echte Fortschritte auf beiden Seiten nicht zu sehen waren.

Die 6 Remispartien waren unspektakulär. Keiner der 12 Schachfreunde hatte einen nennenswerten Vorteil. Anders sah es an den Brettern zwei und sieben aus. Unserem Dennie bekommt die Höhenluft an den ersten Brettern ausgezeichnet. Diesmal überspielte er seinen Gegner mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit. Allerdings half Kai Renner durch ungenaue Eröffnungszüge ordentlich mit. Bereits nach 8 Zügen hatte er seine Stellung verhunzt.

Martin Ploog erreichte mit Schwarz nicht nur mühelos Ausgleich, sondern setzte seinen Gegner im Mittelspiel mehr und mehr unter Druck, sodass der Gewinn im Doppelturmendspiel nur eine Sache der Technik war. Und die beherrscht Martin perfekt.

Die entscheidenden Phasen unserer beiden Gewinnpartien werde ich euch in einem Kommentar zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen.

Brett 1 Wilfried Bode 1/2 - 1/2 Andreas Liebau
Brett 1 Wilfried Bode 1/2 – 1/2 Andreas Liebau
Remis nach 71... Th8xLh5
Remis nach 71… Th8xLh5

Remis oder was? Die Maschinen wollen diese Partie für Weiß gewinnen. Was sagt der gesunde Menschenverstand dazu? (siehe auch meinen Kommentar)

Brett 2 Dennie Ackermann 1:0 Kai Renner
Brett 2 Dennie Ackermann 1:0 Kai Renner
1:0 nach 33. Tc6-c7
1:0 nach 33. Tc6-c7
Brett 3 Adrian David 1/2 - 1/2 Thomas Kaimer
Brett 3 Adrian David 1/2 – 1/2 Thomas Kaimer
Remis nach 23... Dc7-d7
Remis nach 23… Dc7-d7
Brett 4 Heinz-Dieter Meyer 1/2 - 1/2 Lutz van Son
Brett 4 Heinz-Dieter Meyer 1/2 – 1/2 Lutz van Son
Remis nach 14... Tad8
Remis nach 14… Tad8
Brett 5 Dennis Schmidt 1/2 - 1/2 Uwe Gabriel
Brett 5 Dennis Schmidt 1/2 – 1/2 Uwe Gabriel
Remis nach 22... a7-a6
Remis nach 22… a7-a6
Brett 6 Bernd Fritze 1/2 - 1/2 Yannick Koch
Brett 6 Bernd Fritze 1/2 – 1/2 Yannick Koch
Remis nach 20. Sd2-e4
Remis nach 20. Sd2-e4
Brett 7 Igor Belov 0 - 1 Dr. Martin Ploog
Brett 7 Igor Belov 0 – 1 Dr. Martin Ploog
0-1 nach 62... Kc3-d4
0-1 nach 62… Kc3-d4
Brett 8 Arthur Kölle 1/2 - 1/2 Felix-Hagen Jacobi
Brett 8 Arthur Kölle 1/2 – 1/2 Felix-Hagen Jacobi
Remis nach 40. Lc4-e2
Remis nach 40. Lc4-e2

Ausgezockt?

Selbstironie war einmal die Stärke der Schachfreunde Hannover. Als Kostprobe dient eine Geschichte aus dem Sonnenkönig, Ausgabe Nr. 17, anno 1998:

Zocker-01-98
______________________________________________________________

Hans, der Nervenarzt, lebt nicht mehr. Lange Haare sind rar geworden. Geflickte Jeans auch. Die Blöd-Zeitung ist indes noch immer blöd. Und was ist aus unseren Blitzturnieren geworden? Wehmut kommt auf. Nicht, dass ich die guten alten Zeiten beschwören möchte, aber ein Blick zurück dient nicht nur der Erheiterung. „Geht doch!“, war der Tenor dieser Geschichte. Dabei konnten wir uns nicht beklagen. Unsere Monats-blitzturniere waren meist gut besucht. Weniger als 10 Teilnehmer gab es selten. Obgleich wir verglichen mit der heutigen Ära nur der halbe Verein waren. Die Fusion mit der Schachvereinigung hatte noch nicht stattgefunden. Nach unserer Vereinigung mit der Vereinigung mussten meist Vorrunden mit A-, B- und C-Finals ausgetragen werden, weil die Teilnehmerzahl so hoch war (siehe Januar 2001). – Im Anschluss möchte ich euch aus der Zeit von 1995 bis 2001 einige Ergebnisse von Vereins-Blitzturnieren zeigen, an denen ich teilgenommen habe. Dabei geht es nicht um meine Person, sondern um die vielen anderen, die heute aus unterschiedlichen Gründen fernbleiben.

Die Moral dieses Rückblicks könnt ihr euch denken. Schaut auf meine Überschrift! Wir waren mal der „Zockerverein“ schlechthin in Niedersachsen. Im positiven Sinne, versteht sich. Mag sein, dass wir hierzulande sogar diejenigen waren, die Monatsblitzturniere erfunden haben; jedenfalls haben wir sie gefördert, spätestens als wir in den Achtzigerjahren dem HSK den Rang abgelaufen und viermal die niedersächsische Blitzmannschaftsmeisterschaft gewonnen hatten. Und nun? Sieben Teilnehmer beim Monatsblitzen im September, zwölf im Oktober und sechs im November 2015. Das ist frustrierend. Zocker wo seid ihr?

Es gibt sie noch. Nicht nur die unentwegten, die regelmäßig den kleinen Haufen angehören. Nein, diejenigen, die sich abgewandt haben und diejenigen, die das „Zocken“ lernen wollen, müssen motiviert werden. Nicht mit Schuldgefühlen, sondern mit neuen Ideen. Oder mit alten: „Solche Turniere sollte es wirklich öfter geben“, hieß es vor siebzehn Jahren. Der Anlass muss kein Geburtstag sein…

***********************************************************************************

Ergänzung am Freitag, dem 13. November 2015

Wer hat’s erfunden? Ich spreche nicht von einem Schweizer Kräuterbonbon, sondern von Monatsblitzturnieren. Als Beleg mag dieser Artikel aus dem Jahr 1978 dienen. Er stammt aus der SFH-Zentrale:

SFH-Jahreswertung-78Graphologen unter euch werden sofort die handschriftliche Überschrift im Fokus haben. Richtig, die kann nur von einem umtriebigen Schachfunktionär und Ehrenmitglied des DSB stammen. Gestern wurde er wieder ein Jahr älter. Herzlichen Glückwunsch! Guckt ihr hier: https://www.schachfreunde-hannover.de/nochn-70-geburtstag/

Die Attraktion zahlte sich aus: Im Verein sowie auf Bezirks- und Landesebene. Fast noch wertvoller: Wir hatten den großen HSK gestürzt. 1978 wurden wir durch das Triple belohnt:

SFH-Blitzmeister-78HAZ 78

Damals berichtete die HAZ regelmäßig über lokale Ereignisse im Schach. Unser Blitzerfolg wurde wie folgt gewürdigt:

 

 

 

 

 

Auch das gehört zur Geschichtsbewältigung: Ein paar Jahre später wechselte Heinz-Jürgen zu dem Verein, dessen Macht wir übernommen hatten. So etwas nennt man wohl eine Laune des Schicksals.