200.000 – Wir kennen Dich!

Am 30. November 2014 hat Uwe vergeblich den 100.000sten Besucher unseres Blogs gesucht. Genau sieben Monate später, zur legendären High-Noon-Zeit, hat sich die Besucherzahl bereits verdoppelt. Diesmal habe ich aufgepasst. Der Jubiläumsbesucher war der NSA*. Tusch!! „Ausspähen unter Schachfreunden geht prima!“, hat sich bis nach Bad Bederkesa herumgesprochen. Es geht auch ohne Pro-Spy-Abkommen. Mit dem NSA waren es im Schnitt rund 500 Besucher pro Tag, die wissen wollten, warum die Schachfreunde Hannover anders ticken. Die wollen wir weiterhin auf dem Laufenden halten. Was ihr schon immer über Schach und das Drumherum wissen wolltet, aber zu fragen nie gewagt habt, hier gibt’s die Antworten. Satire inbegriffen.

*NSA = Niedersächsischer Schachamateur (Im Volksmund: sturmfester Edelpatzer)

Mit seinem satirischen Rückblick auf die vergangene Woche bläst HAZ-Redakteur Michael B. Berger ins gleiche Horn: „Vorsicht, Freund hört (guckt) mit!“ Unsere Kanzlerin sei ein „Soufflé im Blazer“, soll der französische Präsident Monsieur Hollande gelästert haben. Mag sein. Aber für den Gatten gibt’s als Hauptspeise einen halben Gummiadler (Wessi-Deutsch):

Am Rande einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt
Am Rande einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt

Den Fotowitz habe ich bereits vor zwei Jahren in meinem Radsportforum veröffentlicht. Er hat nichts von seiner Aktualität verloren. Bespitzelung trotz Busserl in Elmau!? Es lebe die Heuchelei, äh Freundschaft! Darauf einen Ouzo. Bevor die Quellen versiegen.

 

Dass unser Jubiläumsbesuch ausgerechnet auf den Asteroiden-Tag fällt, ist womöglich ein Zeichen aus der Tiefe des Raums. Diesen Hinweis verdanken wir unserem Udo Harms in der heutigen Ausgabe der HAZ. Seid gewappnet! Behaltet euren Fahrradhelm auf, wenn ihr mit euren Flip-Flops durch die Fußgängerzone schlendert. Wer weiß, was heute alles vom Himmel fällt!? – Am 30. Juni 1908 mussten in Sibirien 60 Mio. Bäume dran glauben, als ein besonders dicker Brocken unseren Planeten traf. Mit Asteroidchen ist auch nicht zu spaßen. Folglich heißt die Devise: Helm auf, Augen auf und Handy-Kamera nach oben richten! Und natürlich zwischendurch einen Blick in unser Blog werfen. Über Neuigkeiten werden wir euch unverzüglich informieren.

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Ergänzung am 1. Juli 2015 (siehe Kommentar)

Asteroideneinschlag am 30.06.2015
Asteroideneinschlag am 30.06.2015

Der Mann mit der Cordhose – in memoriam Jürgen Schulz

Wie Ihr gewiss auf der Homepage gesehen habt, ist unser langjähriger Vereinskamerad und ehemaliger Vorsitzender Jürgen Schulz verstorben. Während die Homepage unsere offizielle Traueranzeige ist, möchte ich hier auf das schachliche Wirken von Jürgen eingehen. Er war schließlich nicht nur ein guter Funktionär sondern auch am Brett umtriebig und spielstark. Rund 500 Gewinnpartien aus meinen Datenbanken lassen sich eindeutig unserem Jürgen zuordnen (Anm.: Der Name „Jürgen Schulz“ ist – auch in den Schachdatenbanken – nicht ganz einmalig)

Als Intro könnte ich die gleichen Worte wie Michael verwenden. Während Michael bereits von Beginn seiner Laufbahn an bei der Schachvereinigung spielte, bin ich zeitgleich mit Jürgen im Jahre 1985 in einen (erneut) aufstrebenden Verein dazugestoßen. Jürgen war ein sehr erfahrener Spieler, der sein Eröffnungsrepertoire selten variierte. Seine Liebe in Weißpartien galt ganz klar dem Zug 1.d4. Er folgte schnell der in den 80ern aufkommenden Mode, den Zug c2-c4 zurückzuhalten oder gar nicht zu spielen. Das passte ganz gut in seine Idee vom Schachspiel: Erst sichern, dann kleine Vorteile sammeln und schließlich mit scharfem Schwert die Beute erlegen.

Bei Vereinsturnieren hat Jürgen sowohl in Neustadt als auch bei uns zahlreiche Titel und gute Platzierungen errungen. Ein schönes Beispiel ist seine Partie gegen Reinhard Brodhuhn, die letztlich als Hängepartie gewonnen wurde.

In Mannschaften hat Jürgen stets gern gespielt. Das betraf nicht nur den Ligabetrieb, sondern auch die NSV-Pokale. In den 80ern gab es zudem den Hannover-Cup für Vereinsmannschaften, hernach aufgeteilt in den Hohlfeld-Pokal (höhere Ligen) und den Pinnel-Pokal (tiefere Ligen). Die Schachfreunde haben sich an den lokalen Pokalen schon lange nicht mehr beteiligt. Dass die Teilnahme in anderen Zeiten Ehrensache war, belegt die Partie gegen Frank Naumann.

Eine weitere von Jürgen praktizierte Disziplin ist das Fernschach. Ebenso wie bei mir folgte auf eine Deutsche Jugendfernschachmeisterschaft eine längere Pause. Diese wurde beendet, als sich in der Schachvereinigung vier Spieler zusammenrotteten, sich für die neu geschaffene Fernschachbundesliga zu qualifizieren: Neben Jürgen waren dies noch Gerd Branding, Heiko Willke und meine Wenigkeit. Diese Pionierzeit war gekennzeichnet durch dauerhafte Telefonate um Varianten und Pläne, das Spielen per Postkarte (der Postweg galt jedem Berufstätigen als Erholungszeit!) und Computerprogramme, die zwar kurzfristige Einsteller vermeiden konnten, vom Schachspiel an sich aber noch nicht so viel verstanden. Jürgen hat sich in der Gemeinschaft der Fernschächer stets wohlgefühlt und auch an zahlreichen Fernschachtreffen teilgenommen. Die Partie gegen Erik Blosze – gegen den er auch bei den Fernschachtreffen am Brett die Klingen kreuzte – zeigt beständige dynamische Scharmützel beider Spieler. Eine solche Fernpartie wäre heute kaum mehr möglich. Zu sehr prägt die Gnadenlosigkeit der Rechenknechte und der Anti-Strategien das Geschäft. Der erzielte Fortschritt ist im Fernschach prägend.

In den Kommentaren findet Ihr die drei genannten Partien.

„Der Mann mit der Cordhose“ – Jürgen pflegte ein geregeltes Leben mit Konstanten. Cordhose und ein häufig kariertes Hemd gehörte für ihn im Privatleben dazu, ein Eigenheim (erst in der Döhrener Wolle, später in Berenbostel) ebenso. Der zunächst sichere Job bei einer Bank (hier: im Anzug!) rundete dieses Bild gut ab. In der heutigen schnelllebigen und konformen Zeit findet man immer weniger authentische Persönlichkeiten, die an scheinbaren Anachronismen festhalten. Dazu gehört eine gewisse persönliche Stärke. Leider hatte sich Jürgen in den letzten Jahren persönlich sehr zurückgezogen. Zuletzt gestaltete auch seine fortschreitende Krankheit mögliche Gemeinsamkeiten schwierig. Ich werde ihn – und das gilt gewiss für all seine Weggefährten – jedoch vermissen und stets in bester Erinnerung behalten!

Seid willkommen, hier im Blog zu kondolieren und zu kommentieren!

Return to Senden

Elvis: Return to Senden (kleines Wortspiel)
Elvis: Return to Senden (kleines Wortspiel)

„Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt“, sprach einst Napoleon Bonaparte. Das ist der, den sie jetzt wegen unserer Waterloosäule aus dem Schrank geholt haben. Für uns Schachspieler hat Napoleons Zitat folgende Bedeutung: „Vom Meisterspieler zum Patzer ist es nur ein Zug.“ Als Beweis sollen zwei Niederlagen dienen, die ich 1998 und 2001 beim Sportland Open in Senden kassiert habe. Der Patzer war und bin ich wohlgemerkt.

Senden kann vieles heißen. In diesem Fall handelt es sich um den idyllischen Ort im ebenso idyllischen Münsterland. Zweimal habe ich dort jeweils im Oktober am Open teilgenommen. Damals hießen die Open „Sportland“, heute „Münsterland“. In den Anfangsjahren war das Niveau außerordentlich hoch. Im Jahr 1998 waren 13 Großmeister und 7 Internationale Meister dabei. Es gewann Daniel Friedmann mit 7,0 Punkten aus 9 Partien. Mit am Start war der damals blutjunge Arkadij Naiditsch. Mit 5,0 Punkten belegte er am Ende den 20. Platz.

In der 6. Runde hatte ich mit Weiß den Bundesligaspieler FM Timo Sträter (ELO 2340) in einer sehenswerten Partie geschlagen (guckt ihr meinen allerersten Blog-Beitrag). In der folgenden 7. Runde konnte ich einen weiteren Sieg gegen einen Bundesligaspieler einfahren, und zwar gegen Lars Thiede (ELO 2355) von den Schachfreunden Berlin. Es war so leicht (hinterher).

Diese Stellung hatten wir nach dem 33. Zug auf dem Brett. Weiß hatte zuvor inkorrekt auf e5 eine Figur geopfert:

IM Lars Thiede – Gerhard Streich

Stellung nach 33.Lb2xe5
Stellung nach 33.Lb2xe5

Welcher Zug gewinnt? Ohne viel Federlesens hätte 33…Sxh3+! gewonnen. Ich entschloss mich zu 33…Sxd5?! und verlor später sogar im Endspiel, obwohl ich zwei Leichtfiguren gegen einen Turm hatte. Fairerweise zeigte mir Lars Thiede nach der Partie, dass 33…Sxh3 für ihn tödlich gewesen wäre. Ich hatte den Zug zwar auch gesehen, aber in der verbliebenen, knappen Bedenkzeit verworfen. Das ist halt der Unterschied zwischen einem Meister und einem Patzer. – Am Ende belegte Lars Thiede den 9. Platz mit 6,0 Punkten. Ich verpasste indessen ein ausgezeichnetes Turnierresultat.

Drei Jahre später (2001) war ich wieder in Senden. In der 2. Runde traf ich auf den Favoriten, GM Giorgi Kacheishvili (ELO 2583) aus Georgien. Er wurde seiner Favoritenrolle gerecht und gewann nicht nur gegen mich, sondern souverän das ganze Turnier. In der aktuellen Webseite des Veranstalters ist dazu folgendes zu lesen:

„Einen klareren Sieg kann man sich kaum vorstellen: GM Giorgi Kacheishvili erspielte sich sieben Siege bei zwei Remisen. Seine Partien wirkten dabei allesamt klar, geradezu einfach. Da zeigt sich wahres Können: scheinbar mühelos das zu erreichen, was anderen auch bei großer Anstrengung nicht gelingt. Der Georgier wirkt stets gut gelaunt. Ob ihm der Erfolg in Senden wichtig ist? Ja, schon. Aber in seiner großen Zeit hat er einmal in den USA von acht gespielten Turnieren sieben gewonnen. Und damit läßt sich das jetzt nicht vergleichen…“

In meiner Partie gegen ihn stand es allerdings Spitz auf Knopf. Für ein bisschen Angriff hatte ich eine Figur geopfert. Nach dem 31. Zug von Weiß war ich vor eine schwierige Frage gestellt:

GM Giorgi Kacheishvili – Gerhard Streich

Stellung nach 31.Lb2-c1?!
Stellung nach 31.Lb2-c1?!

Seinen letzten Zug hatte der Georgier ziemlich schnell ausgeführt. Natürlich habe ich sofort gesehen, dass der Turm auf b1 hängt. Ich war mir nicht sicher, ob es ein Versehen, ein Bluff oder ein genialer Zug war. Ich entschloss mich zu 31…Sh5. Der Zug versprach eine anhaltende Initiative, aber irgendwann gelang es meinem Gegner seinen König in Sicherheit zu bringen, und es war aus mit dem Großmeisterskalp. Heute würde ich zu 31…Sh3+ nebst Dxb1 greifen. Die Chancen, die Partie im Gleichgewicht zu halten, wären gut. – In diesem Open erkämpfte ich mir übrigens gegen die damals 16-Jährige Elisabeth Paehtz ein Remis. Diese Partie findet ihr ebenfalls in unserem Blog.

Die Partien gegen Lars Thiede und Giorgi Kacheishvili könnt ihr in meinem Kommentar in voller Länge nachspielen. – Das war’s mit dem Sendener Rückblick. Bezüglicher weiterer Open-Auftritte meinerseits sage ich: „See you later, Alligator!“

Infinitum Mobile

Gerhard Einstein
Gerhard Einstein

Schachspieler sind vielseitig, vor allem wenn es ums Denken geht. Deshalb habe ich einen Tipp für euch, wie ihr dasselbe verbessern könnt. Es geht um Philosophie. Kürzlich wurde ich auf ein Projekt aufmerksam, das Dr. Gerhard Stamer (Jahrgang 1939) ins Leben gerufen hat. Raus aus dem Elfenbeinturm, rein ins pralle Internetleben, war seine Vision. Inifinitum Mobile (unbegrenzte Bewegung) nennt er sein Projekt. Über zehn Themen soll in den kommenden zwei Jahren öffentlich diskutiert werden. Darwins Evolutionstheorie macht den Anfang. Stamers Credo: „Ich möchte keine Diskussion unter Experten, sondern Diskussionen mit Menschen.“ Zu den Letztgenannten zähle ich mich.

Neugierig – wie ich nun einmal bin – habe ich mir die ersten Kommentare angeguckt. Ich war entsetzt! Es sollte ein Blog für Menschen sein, stattdessen präsentieren dort eine Handvoll Experten ihre Fabulierkunst, die bis an die Schmerzgrenze geht. Als Hobby-Philosoph kenne ich diese Sprache, aber jeder normale Mensch wird sich kopfschüttelnd abwenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Texte von Nichtexperten zu Ende gelesen und verstanden werden, ist gleich Null.

Als unerschütterlicher Optimist habe ich mir nach ein paar Tagen des Entsetzens ein Herz gefasst, mich dort angemeldet und auf meine Weise losgelegt. Womöglich ist das Entsetzen jetzt auf der anderen Seite. So oder so, die Diskussion hat Fahrt aufgenommen. Uncool ist die Sache nicht. Ich bin gespannt, ob ich eine Antwort auf meine Frage nach den Krähen bekomme. – Wenn ihr Lust und den Mut habt, eure eigenen Gedanken online schweifen zu lassen, solltet ihr meinem Beispiel folgen. Meine Kommentare sind unschwer auszumachen.

Der Appell von St. Gerhard und Gerhard St. lautet: „Die Diskussion ist eröffnet. Nehmen Sie teil!“ Der Eintritt war frei: die Website existiert nicht mehr…