Leine-Open 2014

Oft kopiert, nie erreicht: Das Leine-Open. Im Jahr 1995 wurde es zum ersten Mal ausgetragen, das Schnellschachturnier der Schachfreunde Hannover. Nun jährt es sich zum zwanzigsten Mal. Am Sonntag, dem 1. Juni, ist es wieder soweit. Dieser Sonntag ist in Hannover ein autofreier Tag. Da bietet es sich an, den Weg zum Leine-Open ganz zünftig auf der Leine zu bewerkstelligen. Für diese Schachfreunde gibt es folgende Wegbeschreibung:

Die Leine kurz vorm Ziel
Die Leine kurz vorm Ziel

Vor dem Leineabstiegskanal links in die Fösse abbiegen, dort 400 m flussaufwärts fahren, am linken Ufer aussteigen, unter der Westschnellwegbrücke hindurch 100 Schritte gehen, rechts abbiegen und die Stufen zum Freizeitheim Linden erklimmen.

Alternativ sind auch andere Fortbewegungsmittel gestattet. Hauptsache, ihr seid pünktlich da. Meldeschluss ist 9:45 Uhr. Hier die korrekte Anschrift:

Freizeitheim Linden
Windheimstraße 4
30451 Hannover

Alle weiteren Angaben zum Leine-Open erfahrt ihr auf der eigens dafür eingerichteten Webseite: http://www.leine-open.de/

Ein bisschen Nostalgie kann nach 20 Jahren nicht schaden. Wie’s damals begann, könnt ihr auf den zwei Doppelseiten nachlesen, die ich aus der 9. Ausgabe des Sonnenkönigs gescannt habe. Der Text stammt von Olaf Bergmeier. Seine Art, Stimmungen stilsicher in Worte zu fassen, ist und bleibt unerreicht.

Sonnenkönig Nr. 9/1
Sonnenkönig Nr. 9/1
Sonnenkönig Nr. 9/2
Sonnenkönig Nr. 9/2

Die ersten fünf Open fanden im Faust-Gebäude statt, danach ging’s ins Freizeitheim Vahrenwald und später ins Freizeitheim Linden. Die Teilnehmerzahl der ersten Veranstaltung wurde nicht wieder erzielt, aber an hochkarätigen Schachspielern hat es nie gemangelt. Einige wurden zu Stammgästen, z.B. IM Carsten Lingnau. Im Jahr 2009 fiel das Leine-Open buchstäblich ins Wasser; ins Leinewasser wohlgemerkt, wodurch es selbstverständlich mitgezählt wird. In den Jahren danach war die Beteiligung eher mager. Dieser Trend soll nun gedreht werden. Deshalb würden wir uns freuen, wenn sowohl viele Gäste aus nah und fern als auch Vereinsmitglieder zum 20. Leine-Open kämen.

Hier ist die Ehrenliste derer, die von Anfang an einen Platz auf dem Siegertreppchen ergattern konnten:

  • 1. Leine-Open 1995                                      169 Teilnehmer
  • 1. Joachim, Sven 2335 SF Braunschweig                  9,5/11
  • 2. IM Polzin, Rainer 2415 SF Neukölln                     9,0/11
  • 3. IM Lingnau, Carsten 2400 SK Solingen               8,5/11
  • 2. Leine-Open 1996                                      144 Teilnehmer
  • 1. Spilker, Boris vereinslos                                        9,0/11
  • 2. IM Lingnau, Carsten 2380 Enger Spenge            8,5/11
  • 3. Alvensleben, Wolfram vonSVg Hannover           8,5/11
  •  
  • 3. Leine-Open 1997                                      138 Teilnehmer
  • 1. IM Schebler, Gerhard 2440 SV Mühlheim/Nord  9,5/11
  • 2. Sawatzki, Frank 2275 SVg Göttingen                   8,5/11
  • 3. Geveke, Michael 2296 SVg Hannover                   8,5/11
  •  
  • 4. Leine-Open 1998                                      106 Teilnehmer
  • 1. GM Maksimenko, Andrej 2500 SW Lichtenrade   9,5/11
  • 2. Joachim, Sven 2335 SG Isernhagen                      9,0/11
  • 3. IM Lingnau, Carsten 2400 SF Katernberg           8,5/11
  •  
  • 5. Leine-Open 1999                                        95 Teilnehmer
  • 1. IM Kabatianski, Alexander 2441 SV Bramsche    10,0/11
  • 2. Joachim, Sven 2335 SG Isernhagen                      9,5/11
  • 3. IM Bangiev, 2447 Alexander SG Isernhagen        8,0/11
  •  
  • 6. Leine-Open 2000                                     110 Teilnehmer
  • 1. IM Bangiev, 2447 Alexander SG Isernhagen        8,5/11
  • 2. Ksieski, Zbigniew 2348 SV Sailauf 67                   8,5/11
  • 3. IM Lingnau, Carsten 2366 SF Katernberg           8,5/11
  •  
  • 7. Leine-Open 2001                                        92 Teilnehmer
  • 1. Hörstmann, Martin 2321 SC Stadthagen              7,0/9
  • 2. IM Bangiev, Alexander 2447 SG Isernhagen        7,0/9
  • 3. Joachim, Sven 2335 SG Isernhagen                      7,0/9
  •  
  • 8. Leine-Open 2002                                     102 Teilnehmer
  • 1. GM Epischin, Wladimir 2600 SV Lübeck              8,5/9
  • 2. IM Lingnau, Carsten 2366 SF Katernberg           8,0/9
  • 3. IM Kabatianski, Alexander 2441 SV Bramsche    8,0/9
  •  
  • 9. Leine-Open 2003                                      138 Teilnehmer
  • 1. GM Gutman, Lev 2495 TuRa Melle                        8,0/9
  • 2. IM Lingnau, Carsten 2430 SC Rheine                    7,5/9
  • 3. Kirnos, Eugen 2268 SK Minden                             7,5/9
  •  
  • 10. Leine-Open 2004                                    127 Teilnehmer
  • 1. IM Kabatianski, Alexander 2441 SK Emsdetten     8,0/9
  • 2. IM Kopylov, Michael 2445 SK Norderstedt           7,5/9
  • 3. IM Meijers, Viesturs 2499 Nickelhütte Aue            7,5/9
  •  
  • 11. Leine-Open 2005                                    117 Teilnehmer
  • 1. Kirnus, Eugen 2242 SK Minden 08                          7,5/9
  • 2. IM Lingnau, Carsten 2379 SK Gescher 81             7,5/9
  • 3. Schneider, Ilja 2374 HSK-Post Hannover             7,0/9
  •  
  • 12. Leine-Open 2006                                      84 Teilnehmer
  • 1. Schneider, Ilja 2374 HSK-Post Hannover               7,5/9
  • 2. IM Kabatianski, Alexander 2441 SV Bramsche      7,5/9
  • 3. Sprenger, J.Michael 2481                                       7,0/9
  •  
  • 13. Leine-Open 2007                                  76 Teilnehmer
  • 1. GM Lazarev, Vladimir 2443 SC 1975 Bann               7,5/9
  • 2. FM Breuer, Stefan 2331 SVg Salzgitter                     7,0/9
  • 3. FM Markgraf, Alexander 2465 Tempo Göttingen   7,0/9
  •  
  • 14. Leine-Open 2008                                 90 Teilnehmer
  • 1. Schneider, Ilja 2437 HSK-Post Hannover               8,0/9
  • 2. Abel, Dennes 2283 HSK-Post Hannover                 7,5/9
  • 3. IM Bangiev, Alexander 2406 PSC Hannover         7,0/9
  •  
  • 15. Leine-Open 2009                                      ausgefallen
  •  
  • 16. Leine-Open 2010                                  54 Teilnehmer
  • 1. IM Zaitsev, Mikhail 2499 SG Bochum                     7,5/9
  • 2. IM Bangiev, Alexander 2424 PSC Hannover         7,0/9
  • 3. GM Gutman, Lev 2454 SC Melle                             7,0/9
  •  
  • 17. Leine-Open 2011                                   62 Teilnehmer
  • 1. IM Zaitsev, Mikhail 2510 SG Bochum                     7,5/9
  • 2. Izrajlev, Alexander 2277 PSC Hannover                7,0/9
  • 3. GM Solleveld, Maarten 2492 Tempo Göttingen     6,5/9
  •  
  • 18. Leine-Open 2012                                  60 Teilnehmer
  • 1. IM Schneider, Ilja 2479 SF Berlin                           8,0/9
  • 2. Höffer, David 2196 SK Delmenhorster                   7,5/9
  • 3. IM Bangiev, Alexander 2396 PSC Hannover         6,5/9
  •  
  • 19. Leine-Open 2013                                      65 Teilnehmer
  • 1. IM Wippermann, Till 2382                                     7,5/9
  • 2. IM Schneider, Ilja 2503 SF Berlin                          7,0/9
  • 3. Abel, Dennes 2398 SF Berlin                                  7,0/9

Ein Schild am Wörthersee

In der vergangenen Woche habe ich wieder Post vom Wörthersee bekommen:
SchoenblickSpätestens seit meinen letzten Kommentaren wisst ihr, dass ich dort 1996 am Casino-Open in Velden teilgenommen habe. Untergebracht waren meine Frau und ich im 4*-Hotel „Schönblick“. Das war also vor 18 Jahren. Seitdem erhalten wir Jahr für Jahr eine Karte mit der unmissverständlichen Aufschrift, dass wir willkommene Gäste seien. 18 Mal fruchtlos, denn Schachturniere in Velden sind passé und einen anderen Grund, dort hinzufahren, gibt es für uns nicht. Nun habe ich ein schlechtes Gewissen angesichts dieses liebevollen, dauernden und vergeblichen Werbens. Deshalb möchte ich allen Schachfreunden ans Herz legen, dort zu übernachten, wenn sie am Wörthersee Urlaub machen. Es lohnt sich wirklich. Hier ist deren Webseite: http://www.schonblick.at/

Nichtsdestotrotz stellt sich für mich die Frage: Warum buhlt die Hoteldirektion so unverdrossen um meine Gunst? Wer mich kennt, weiß, dass ich der Sache auf den Grund gehe. Insider nennen mich den „Sherlock Humbug“ unter den investigativen Bloggern. Meine Spurensuche war erfolgreich. Am Eingang des Hotels prangt ein Schild mit der Aufschrift: „Hier übernachtete der berühmte Namensgeber der PPP-Modelle.“ PPP-Modelle kennt ihr? Das sind die öffentlichen Bauprojekte, bei denen findige Investoren gutgläubigen Kommunalpolitikern ein Finanzierungsmodell aufschwatzen, das den Gemeinden unterm Strich teuer zu stehen kommt. Spaßbäder sind dabei besonders beliebt. Nun habe ich mir das Schild genauer angesehen. Was lese ich da im Kleingedruckten? PPP = Piefke Patzer Papageno. Im Klartext: „Hier übernachtete ein deutscher Fliegenfänger, der das Schachspiel nie und nimmer begreifen wird.“ Danke.

Ja, die Kärntner sind ein cleveres Völkchen. Die intelligenten Bayern (O-Ton Edi) wissen ein Lied davon zu singen. Die Bayern ließen sich bekanntlich von den Kärntnern eine Schrottbank andrehen, in der sie binnen kurzer Zeit womöglich 6 Milliarden Euro begraben haben: http://www.milliardengrablandesbank.de/ Mit dem Geld hätte Uli Hoeneß bis zum nächsten Triple weiterzocken können. Drahtzieher war ein Landeshauptmann namens Haider. Gegen einen Namensvetter spielte ich beim Casino-Open. Der hieß nicht Jörg, sondern Bernd. Mit einer petite combinaison“ gelang es mir, denselben völlig aus dem Konzept zu bringen.

Dr. Haider, Bernd (ELO 2275) – Streich, Gerhard

Casino-Open, Velden (8) 05.07.1996

Schwarz zieht an und gewinnt

Stellung nach dem 21. Zug von Weiß
Stellung nach dem 21. Zug von Weiß

21… Lxd4! 22.Lxd5 [22.exd4 Sxd4 23.Dd1 Sxf3+ 24.Dxf3 d4 25.Se4 Dg6 26.Txc7 (26.Tc6 Lxc6 27.bxc6 Te8 28.Te1 Dxc6-+) 26…Lxe4 27.Txf7+ Dxf7 28.Dxe4-+] 22…Lxd5 23.Sxd5 Dxd5 24.exd4? [24.Dxd5 Txd5 25.exd4 Txd4 26.Sb2 Sc5=+] 24…Dxb3 25.Txb3 Sxd4 26.Tb2 Sf3+ 0-1

Arbeiterschach

Arbeiter sind unter Schachspielern so selten geworden wie Mettbrötchen auf dem Speiseplan von Angela Merkel. Das hat seine Gründe. Bei Angela sind die offensichtlich, bei Schachspielern müssen wir die Geschichtsbücher bemühen oder in die Annalen des eigenen Vereins gucken. Die Fusion der beiden Vereine „Schachfreunde Hannover“ und „Schachvereinigung Hannover“ im Jahre 2001 hat auch namentlich zu einer Verschmelzung geführt. Der Name „Schachvereinigung“, der aus dem „Arbeiter-Schachklub-Hannover“ hervorgegangen ist, wurde zugunsten der Schachfreunde getilgt, aber das Gründungsdatum 1919 blieb im offiziellen Vereinsnamen erhalten. Nun habe ich persönlich meine Wurzeln bei den Schachfreunden und kann deshalb wenig zur Geschichte des Arbeiter-Schachklubs beitragen. Es gibt jedoch Zeitgenossen, die unter Schachspielern großgeworden sind, die die Härte des Klassenkampfes erlebt haben. Dazu gehört Jürgen Juhnke.                                  

Jürgen Juhnke anno 1987
Jürgen Juhnke anno 1987

Das Foto stammt aus einem verblichenen HAZ-Artikel. Jürgen war damals Vierter bei den offenen Niedersachsenmeisterschaften geworden. – Als die Schachvereinigung ihr 50jähriges Jubiläum feierte, war Jürgen Juhnke ein junger Spund und als solcher einer der besten Nachwuchs-Schachspieler Deutschlands. Unser Blog hat Jürgen dazu angeregt, Erinnerungsstücke hervorzuholen. Etwas davon werde ich gleich präsentieren. Zunächst möchte ich jedoch auf die Geschichte der Schachvereinigung im Besonderen und die des Arbeiterschachs im Allgemeinen eingehen.                                 

Deckblatt der Festschrift von 1969
Deckblatt der Festschrift von 1969

Auf unserer Webseite findet ihr unter „Historie“ folgenden Artikel, den Jürgen Reschke anschaulich geschrieben hat: Historie

Ein epochales Werk über die „Geschichte des deutschen Arbeiterschachs“ hat Gerhard Willeke verfasst. Er verstarb kurz bevor sein Buch im Jahr 2002 veröffentlicht wurde. Auf 340 Seiten hat Gerhard Willeke akribisch das zusammengetragen, was heute auf den ersten Blick niemand interessiert. Deshalb habe ich das Buch zunächst belächelt, als ich davon erfuhr. Auf den zweiten Blick ist es hilfreich, unsere Geschichte zu verstehen. Nicht nur die Geschichte des Arbeiterschachs, sondern die Geschichte unserer Gesellschaft, die 1933 mit der Machtübernahme durch die Nazis eine grauenhafte Entwicklung nahm. Das Buch könnt ihr im Internet aufrufen: Arbeiterschach-neu.pdf wissenswertes über die Geschichte der Schachvereinigung. Auf den Seiten 259 und 260 erfahrt ihr etwas über den „Arbeiterschachklub Turm Anderten“. Am 11. Mai 1933 war Schluss mit dem Arbeiterschach in Deutschland. Diejenigen, die sich nicht fügten, wurden gnadenlos verfolgt (siehe z.B. Seite 300+301), die anderen verkauften ihre Seelen mit „Ergebenheitsbekundungen“.

Zurück zu Jürgen Juhnke. Zu den Erinnerungsstücken, die er mir geschickt hat, hat er folgendes geschrieben:

„In der SVH wurde zu meiner Zeit nicht über Politik gesprochen, zumindest bemerkte ich nichts dergleichen. Auch die Hintergründe des regelmäßig angewandten „Frei Schach!“ erfuhr ich nicht (fragte vielleicht auch nicht nach). Schachfreund – vielleicht darf ich auch sagen Schachgenosse – Karl Danne war zu meiner SVH-Zeit (Ende 60er) bereits recht alt und vermachte mir einige Hefte der Arbeiter-Schachzeitung aus den 20er/30er-Jahren. Ich hielt diese stets in Ehren und leitete sie viel später weiter an die Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Deckblätter kopierte ich – siehe Anhang – und verweise auf den Haupt-Artikel des Heftes vom März 1933 über Karl Marx und Wilhelm Liebknecht als Schachspieler. Vielleicht gaben solche Geschichten den Genossen Trost in schwerer Zeit, sind auch heute noch nett zu lesen.“

DAS Nr. 3 März 1933 Deckblatt
DAS Nr. 3 März 1933 Deckblatt
DAS Nr. 3 März 1933 Seite 42
DAS Nr. 3 März 1933 Seite 42

Das mit dem „netten Lesen“ sehe ich so wie Jürgen. Karl Marx war bereits 50 Jahre tot, und Wilhelm Liebknecht starb 1926. Der Sohn von Wilhelm, Karl Liebknecht, wurde 1919 im Gründungsjahr des Arbeiter-Schachklubs-Hannover ermordet. Unabhängig von ideologischen Brillen zeigt diese Anekdote, dass es unter Schachspielern stets „gemenschelt“ hat und ewig „menscheln“ wird. Die Nummer 3 aus dem März 1933 war womöglich die letzte Ausgabe der Arbeiterschachzeitung DAS.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um die Aberkennung der Fördermittel durch das BMI, das dem Schachspiel „sportspezifische eigenmotorische Bewegungen“ abspricht, ist der folgende Aufmacher „Sport- oder Kulturkartelle?“ aus dem Jahr 1932, Heft Nr. 9, geradezu prophetisch.

DAS Nr. 9 September 1932 Deckblatt
DAS Nr. 9 September 1932 Deckblatt
Wilhelm Liebknecht Briefmarke aus 1955
Wilhelm Liebknecht Briefmarke aus 1955
Jürgen Juhnke anno 1969

Ihme-Cup 2014

Unsere Sportart wird meistens in geschlossenen Räumen ausgetragen. Das ist gut so, vor allem wenn es draußen schüttet. Für dieses Wochenende hat sich der Mai mit Aprilwetter ausgestattet. Tief „Vicky“ wird von Tief „Waldegund“ abgelöst. Brrr! Den 56 Schachfreunden, die zum Start zur 1. Runde des Ihme-Cups gekommen waren, wird’s recht sein. Bei Biergartenwetter hätte der eine oder andere ein schlechtes Gewissen gehabt. Fünf Turnierpartien hintereinander können verdammt lang werden.

Unter den 56 Startern befindet sich ein echter Großmeister, und zwar Viesturs Meijers (Lettland/ELO 2454) von einem Zweitligisten, der nicht in die 1. Bundesliga aufsteigen will: Nickelhütte Aue. Mitfavoriten sind Dennes Abel (Schachfreunde Berlin/ELO 2440) und der Gewinner des Ihme-Cups 2012 Torben Schulze (Hannover 96/ELO 2280).

Als Kiebitz war IM Ilja Schneider gekommen. Allerdings ohne Bart. Dem Vernehmen nach hat er sich den abrasiert, um nicht mit Conchita Wurst verwechselt zu werden. Kleiner Scherz.

Von mir bekommt ihr einige Fotos vom Auftakt geliefert. Die aktuellen Ergebnisse könnte ihr auf der Seite des Niedersächsischen Schachverbands abrufen: http://nsv-online.de/

Artikel 8

Was wäre die Schachwelt ohne Streitfälle? Wir schreiben das Jahr 1963. Im Schachbezirk Hannover gibt es Zoff, weil offenbar jemand eine verlorene Stellung in einen Sieg umwandeln will. Sein Gegner hat wohl die Notationspflicht nicht korrekt eingehalten. Der damalige 1. Vorsitzende Artur Friedrich hat sich daraufhin Rat aus dem Berliner Engelhardt-Verlag geholt. – Die Antwort ist so köstlich, dass sie auch nach 51 Jahren nichts von ihrem Unterhaltungswert verloren hat. Klar und eindeutig sei die Antwort, meinte Artur Friedrich und informierte die beteiligten Personen mit diesem Brief:

Anno-1963
Im Engelhardt-Verlag muss ein Schelm gesessen haben; so einer wie Vlastimil Hort. Jedenfalls einer, der den Negations-Weltrekord brechen wollte. Unter Stilpäpsten gilt bereits eine doppelte Verneinung als Katastrophe, aber diese Anzahl von Verneinungen durch „nicht“ ist einmalig. Die beiden Kernsätze sind voll davon:

„Eine Aufforderung des Gegners, die fehlende Notation nachzuholen, dürfte bei Nichteinhaltung dieser Aufforderung nicht genügen, dem Säumigen die Partie als verloren zu rechnen. […] Daß das Aufschreiben einer Partie keinen Sinn habe, wenn Nichtaufschreiben nicht bestraft wird, kann man nicht gut behaupten wollen.“

Ich übersetze das mal in verständliches Deutsch: Hinterfotziges Reklamieren ist uncool!

An der Aufzeichnungspflicht von damals hat sich wenig geändert. Aktuell gilt dafür Artikel 8 der FIDE-Schachregeln. Ganz und gar nicht geändert hat sich das Verhalten von Schachspielern. Es gibt immer noch solche und solche. Schiedsrichter können in Streitfällen hilfreich sein, sind es aber nicht automatisch, weil es unter Schiedsrichtern auch solche und solche gibt.

Goldene Zeiten

Was ist paradox? Antwort: Wenn man am „Tag der Arbeit“ in Rente geht. Ich tue das. Hier und heute am 1. Mai 2014. Ganz legal. Damit gehöre ich zu den Ausnahmen. Viele Menschen müssen aus unterschiedlichen Gründen früher aus dem Berufsleben ausscheiden oder länger schuften. Der Abgang ist dann holprig, häufig mit Bitterkeit verbunden. Glück und Beharrlichkeit haben mir am Montag einen Abschied beschert, wie man ihn sich nach rund 50 Jahren Arbeit wünscht. Meine Kollegen haben für mich ein Buch mit vielen Fotos von gemeinsamen Erlebnissen aus den letzten zehn Jahren gebastelt. Der Höhepunkt darin sind die persönlichen Worte von 25 überwiegend jungen Menschen. Keine Floskeln, nein, ehrliche Ansichten über meine Person.

Dass ich so bin, wie ich bin, hat viel mit der Schachszene zu tun. Sie hat mich in jungen Jahren geprägt. Das Schachspiel an sich ist die eine Seite, die sportliche und die künstlerische; die andere Seite sind die Schachspieler, wie sie denken, wie sie empfinden, wie sie handeln und wie sie sich entwickeln. Als ich mit 15 Jahren in den Verein eintrat, war ich das jüngste Mitglied der Schachfreunde (damals noch Badenstedt). Heute bin ich einer der ältesten. Dazwischen liegen 50 pittoreske Jahre. Jungen Menschen, die heute dort stehen, wo ich vor 50 Jahren stand, gebe ich den Rat, Schach mit einem gesunden Ehrgeiz zu betreiben, aber nie verbissen zu werden. Wer über sich selbst schmunzeln kann, wird die Fröhlichkeit verbreiten, die er von anderen Menschen erwartet.

Vor zehn Jahren habe ich vom Niedersächsischen Schachverband die Goldene Verbandsnadel für meine vierzigjährige Mitgliedschaft erhalten. Dazu gab es diese Urkunde:

UrkundeDiese Ehrung hatte ich gar nicht auf dem Schirm, zumal ich zu dem Zeitpunkt inaktiv war. Diesmal ist es anders. Der NSV hat für eine fünfzigjährige Mitgliedschaft keine Ehrung vorgesehen. Erst nach 60 Jahren gibt es womöglich einen „Ehrenbrief“. Da ich von offizieller Seite keine Ehrung erwarte, möchte ich hiermit selbst das Wort ergreifen. Nicht als Laudatio, nicht als Selbstbeweihräucherung, sondern als Hinweis an meine Wegbegleiter: Es war eine schöne Zeit mit euch. – In dem von mir genannten Buch haben mir meine Arbeitskollegen viele Attribute attestiert, die ich aus Demut für mich behalte bis auf den Hinweis, dass ich ein Mensch mit Ecken und Kanten sei. Das sehe ich auch so. Der eine oder andere wird sich an meinen Kanten stoßen. Nehmt es gelassen. Wer sich immer nur stromlinienförmig verhält, wird einfach weggespült.

Was nun? In der HAZ von gestern gibt es ein Interview mit dem scheidenden Direktor der Kestner-Gesellschaft, Veit Görner. Er geht bereits mit 61 Jahren in den Ruhestand. Auf die Frage, was er jetzt machen werde, sagte er: „Nix, einfach nix!“ Toll! Das mache ich auch. Ich werde mich wie Magnus Carlsen in meinen Chefsessel fletzen. Hin und wieder werde ich einen kauzigen Beitrag in diesem Blog schreiben, und wenn es mich total übermannt, setze ich mich irgendwo an ein Schachbrett. Stehen mir nicht goldene Zeiten bevor?